Zur 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) versammelten sich Mitte Februar im Hotel Bayerischer Hof hochrangige Vertreter:innen der NATO-Staaten – gesponsert und begleitet von Großkonzernen aus dem Rüstungsbereich und anderen Branchen. Mit etwas Abstand wollen wir dem Ereignisse dieses Wochenendes ein paar Worte widmen.
Bei der MSC lag in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit auf dem neuen außenpolitischen Kurs der USA unter Trump und den inzwischen begonnenen Friedensverhandlungen um den Ukrainekrieg. Falls die verhandlungen nicht doch noch scheitern, werden sich die USA ukrainische Bodenschätze sichern und den für den Westen längst zu teuren und aussichtslos gewordenen Krieg beenden – eine Bestätigung, dass es bei den westlichem Engagement in diesem Krieg nie um das Wohl der Ukrainer:innen, sondern stets um geopolitische und wirtschaftliche Interessen ging.
Die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und der EU sind spätestens seit der Rede von J.D. Vance auf der MSC getrübt. In seiner Ansprache forderte er dazu auf, innenpolitisch noch weiter nach rechts zu rücken – passenderweise folgte darauf ein Treffen mit der AfD. Auch außenpolitisch scheinen die USA einen neuen Kurs einzuschlagen. Was das für die weltweit wütenden Kriege, die NATO und den Einsatz der US-Streitkräfte bedeutet, bleibt noch unklar. Das hält deutsche und EU-Politiker:innen jedoch nicht davon ab, dies als Signal zu verstehen, eigenständig und im großen Stil in die eigenen Streitkräfte zu investieren. Laut Scholz benötigt die EU eine „starke europäische Rüstungsindustrie mit einer permanenten Produktion der wichtigsten Munitions- und Waffengattungen“. Kurz darauf deutete Annalena Baerbock auf einem Krisengipfel in Brüssel an, dass die EU-Länder nach der Wahl in Deutschland 700 Milliarden zusätzlich zum bisherigen Budget für „Sicherheit“ ausgeben werden. Es ist also klar: In den nächsten Jahren erwartet uns eine massive Aufrüstung und eine Militarisierung der Gesellschaft – gepaart mit einem Sparkurs bei allem, was nicht dem Kriegsziel dient. Dies ist nichts Neues: Seit mindestens zehn Jahren verfolgen die deutschen Herrschenden diese Politik. Bereits 2014 erklärten Joachim Gauck, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen auf der MSC, dass Deutschland bereit sei, international „mehr Verantwortung“ zu übernehmen und sich „früher, entschiedener und substanzieller“ zu engagieren – eine Botschaft, die später als „Münchner Konsens“ bezeichnet wurde. Die Münchner Sicherheitskonferenz dient nämlich nicht nur dazu, Strategien und Deals der Herrschenden im Hinterzimmer auszuhandeln, sonder auch, sie der Öffentlichkeit mit schönen Worten zu verkaufen.
Die EU und Deutschland verfolgen inzwischen also einen eigenständigeren Kriegskurs und bauen ihre Kriegskapazitäten aus. Die Rekrutierungsprobleme der Bundeswehr sollen – wenn nötig – durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht gelöst werden. Die Perspektive derjenigen, die am meisten betroffen sind – nämlich der arbeitenden Klassen – werden dabei vollkommen ausgeklammert wird. Dabei sind es wir, die Aufrüstung über Sozialkürzungen und Steuererhöhungen finanzieren und deren Kinder an die neue Ostfront geschickt werden sollen. Und trotz der umfassenden Kriegspropaganda unterstützt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Krieg nicht, sie ist tatsächlich überwiegend gegen Waffenlieferungen und für eine Friedenspolitik statt Eskalation und Aufrüstung. Es ist daher eine wichtige Aufgabe linker Kräfte im antimilitaristischen Feld, der proletarischen Klassenposition zu artikulieren und ihnen physische und politische Räume zu verschaffen. Ein kleiner Baustein davon ist, den Protest gegen die Sicherheitskonferenz weiterzuentwickeln und als Kontinuität des Kampfes gegen Aufrüstung, Krieg und das deutsche Kapital zu erhalten.
Das „Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“ ist in der Bundesrepublik eines der wenigen kontinuierlich arbeitenden antimilitaristischen Bündnisse, das sich mit linken Positionen und einer internationalistischen Perspektive klar gegen Krieg und imperialistische Ausbeutung positioniert. Spätestens das Aufkommen einer rechten, nationalistischen „Friedens“-Bewegung haben die Wichtigkeit linker Antikriegsstrukturen gezeigt. Beim Ausbruch des Ukrainekriegs und bei der Reaktion auf den Genozid in Gaza haben wir gesehen, wie über Nacht linke Grundsätze zugunsten der deutschen Staatsräson über Bord geworfen wurden. Umso wichtiger ist es, dass es bei all den Schwierigkeiten trotzdem eine linke Kontinuität und einen klaren Internationalismus bei den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz gibt!
Der revolutionäre Block, der von Beginn an Teil des Bündnisses ist, hat sich zu einem zentralen Akteur der Gegenproteste entwickelt und konnte auch in diesem Jahr mit 500 Teilnehmer:innen einen Sammelpunkt für revolutionäre, antikapitalistische Strukturen in der gesamten Bundesrepublik darstellen. Als Perspektive Kommunismus haben wir uns an Vorbereitung und Umsetzung beteiligt und mit dem Aufruf „Den deutschen Imperialismus bekämpfen“ verdeutlicht, dass die Widersprüche im System in Kriegsfragen besonders sichtbar werden, wenn wir uns nicht auf eine der Seiten der kapitalistischen Kontrahenten stellen, sondern eine proletarische Klassenposition einnehmen. Konkret bedeutet dies, in Deutschland den Kampf gegen den eigenen Imperialismus, die Kriegstreiber und Profiteure aufzunehmen. Und international die Solidarität mit den unterdrückten Völkern praktisch werden zu lassen. Erfreulicherweise schließen sich immer auch internationale Bewegungen, die für Frieden und Gerechtigkeit in ihren Heimatländern kämpfen, dem Demonstrationszug des Bündnisses und dem revolutionären Block an. In diesem Jahr beteiligten sich beispielsweise ein Kongo-Block mit eigenen Forderungen, ein Palästina-Block sowie kurdische Genoss:innen im revolutionären Block. Der Block bekundete außerdem Solidarität mit ukrainischen Antimilitarist:innen, die Anfang 2025 aufgrund ihrer marxistischen Haltung und ihres Engagements gegen Krieg und für Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine Repressionsschlägen und Verhaftungen ausgesetzt waren. Im Jahr 2023 beteiligten sich noch ukrainische Genoss:innen an den Protesten gegen die MSC im revolutionären Block.
Ein Redebeitrag des Genossen José Nivoi vom Hafenarbeiterkollektiv CALP aus Genua, legte eindrücklich dar, wie militanter Antimilitarismus aus den Gewerkschaften aussehen kann und mit welcher Schlagkraft Hafenarbeiter:innen in den Kriegsverlauf eingreifen können. Die internationale Solidarität hielt auch nach der Demo an: Beim Internationalistischen Fest im EineWeltHaus kamen Hunderte zusammen, um gemeinsam zu feiern, zu diskutieren und den Tag ausklingen zu lassen.
Auf dem Weg zu einer tatsächlich wirksamen Antikriegsbewegung müssen wir selbstbestimmte Aktionsformen entwickeln. So konnte sich auch in diesem Jahr der revolutionäre Block in verschiedenen Momenten gegen polizeiliche Maßnahmen durchsetzen und zeigte öffentlich das Symbol der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), untermalt von Pyrotechnik in den Farben des kurdischen Freiheitskampfes. Im Anschluss an die Demo fand außerdem eine Spontandemonstration zum Internationalistischen Fest im EineWeltHaus statt. Mit Pyrotechnik und kämpferischen Sprüchen nahmen wir uns die Straße.
Die Möglichkeit, auch jenseits kontrollierter Protestformen Widerstand aufzubauen, zeigte eine Aktion am Samstagvormittag. Auf Indymedia schrieben Aktivist:innen:
„Heute, am Vormittag des 15. Februars 2025, wurde einer der Hauptsponsoren der Münchner Sicherheitskonferenz markiert: Amazon. Eines ihrer markanten Gebäude befindet sich in der Domagkstraße im Münchner Norden. Dort zieren nun die Sprüche ‚Krieg beginnt hier‘, ‚No Tech for Genocide‘ und ‚Free Palestine‘ die Fassade, und die Farben Grün, Rot, Weiß und Schwarz – in Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf – an den Scheiben zeigen: Hier sitzt ein Profiteur von Krieg und Unterdrückung. (…) Dass sich Google und Amazon am Genozid an den Palästinenser:innen schuldig machen, wissen die Tech-Konzerne. Anwaltsdokumente der Unternehmen warnen vor Menschenrechtsverletzungen, Mitarbeiter:innen besetzen Büros und organisieren Proteste gegen das Projekt Nimbus. Doch das interessiert die Kriegsprofiteure wenig.“ (Quelle: https://de.indymedia.org/node/493040)
Aktionen wie diese zeigen, dass organisierter Antimilitarismus auch in München während der Sicherheitskonferenz möglich ist, selbst wenn 5000 Polizeibeamte in der Stadt zusammengezogen werden und Sicherheitszonen ausgerufen sind.
An diesem Wochenende hatte Sicherheit einen noch höheren Fokus als sonst: Nach einem Anschlag auf eine ver.di-Streikdemonstration am vorangegangenen Donnerstag, bei dem viele Linke und Gewerkschafter:innen verletzt wurden – eine Kollegin und ihr Kind kam ums Leben – instrumentalisieren CSU, AfD und andere den tragischen Vorfall, um gegen Geflüchtete zu hetzen und Grenzschließungen zu fordern. Darüber hinaus versuchte die Münchener Polizei, den Vorfall als Begründung zu nutzen, um Proteste von der Straße fernzuhalten. Anmelder:innen von Demonstrationen, auch dem Bündnis gegen die Sicherheitskonferenz, wurde nahegelegt, Versammlungen abzusagen oder als Standkundgebungen durchzuführen. Es war richtig, dass sich das Bündnis dennoch für die Durchführung der Demo entschied – die Corona-Zeit hat uns gezeigt, dass einschränkungen der Versammlungsfreiheit selten der Sicherheit dienen, sondern vielmehr dazu genutzt werden, Protest zu unterbinden und die Repression hochzufahren. Klar ist: Die größte Gefahr auf Demonstrationen geht stets von der Polizei aus. Der Kampf findet weiterhin auf der Straße statt, und auf den Staat können wir uns nicht verlassen.
Diesem Motto folgten auch antifaschistische und gewerkschaftliche Mitstreiter:innen am nächsten Vormittag. Die AfD hatte zu einer Mahnwache anlässlich des Anschlags aufgerufen und wollte diesen für ihre Propaganda nutzen. Trotz Schnee und Kälte kamen Hunderte zusammen und verhinderten später noch mit einer Menschenkette, dass sich Rechte am Tatort inszenieren konnten.
Die Zeiten sind hart, und die Gegenseite – seien es Nazis, Repressionsbehörden oder eine neue Regierung, die Aufrüstung und sozialen Kahlschlag unter Merz vorantreiben will – greift an. Es liegt an einer revolutionären Linken, angesichts eines vermeintlich übermächtigen Feindes Motivation, Durchhaltevermögen und auch historischen Optimismus zu entwickeln sowie Ansätze zu suchen und auszubauen, die die eigene Seite stärken. Eine klassenbewusste und internationalistische Antikriegsbewegung ist dabei ein wesentlicher Bestandteil.
Für die langfristige Arbeit als lebendiger Teil der antimilitaristischen Bewegung haben wir als Perspektive Kommunismus eine neue „Zeitung gegen den Krieg“ veröffentlicht, die erstmals auf der Demo gegen die Sicherheitskonferenz verteilt wurde. Hier könnt ihr die Zeitung online finden. Sie soll Debatten in der antimilitaristischen Bewegung anstoßen und weiterführen, als Bildungsgrundlage dienen und bei Aktionen eingesetzt werden. Denn: Nur wenn wir als Bewegung täglich Widerstand gegen den Krieg aufbauen – nicht nur an Terminen wie dem SiKo-Wochenende – können wir den Kriegsvorbereitungen der Herrschenden nachhaltig einen Strich durch die Rechnung machen.
Für eine Welt ohne Krieg und für die sozialistische Revolution!