Schon seit langem hat sich die Krise des Kapitalismus nicht mehr so direkt offenbart. Hier, im imperialistischen Deutschland, genauso wie weltweit. Alle Seiten bereiten sich auf einen heißen Herbst und Winter vor – Kapitalverbände und ihr Staat konstruieren eine nationale Front und arbeiten an Maßnahmen, um Proteste zu verhindern, abzufedern oder nötigenfalls niederzuschlagen. Erfreulicherweise aber auch linke Organisationen – um Widerstand zuzuspitzen, eine Vereinnahmung von Rechts zu verhindern und dem andauernden Klassenkampf von oben den Kampf unserer Klasse entgegenzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hat zwar die Krise mit all ihren erwarteten Auswirkungen noch nicht voll eingeschlagen, sind noch keine Massen auf der Straße, ist noch nicht klar, ob die Maßnahmenpakete der Ampel zur Befriedung reichen werden. Trotzdem gilt es jetzt einen Rahmen zu setzen innerhalb dessen sich revolutionäre Politik in den kommenden Monaten und darüber hinaus bewegen kann. Mit den folgenden Thesen, wollen wir hierzu beitragen.

0. No way to hide…

Ukrainekrieg, Corona, gestörte Handelswege, Rohstoffmangel, Ernteausfälle, Dürre – all das sind teils Folgen, teils Katalysatoren einer wirtschaftlichen Krise eines Systems, das keine Antworten mehr hat. All diese Aspekte dürfen wir nicht isoliert betrachten, sondern müssen sie als Teile einer allgemeinen Tendenz einordnen. Die Unfähigkeit des Kapitalismus, einfach weiterzumachen wie bisher, ist schon seit der Krise 2008/9 sichtbar geworden, als die herrschende Klasse die Krisenfolgen zwar noch an die Ränder der EU exportieren und die Wirtschaft so und mit massiven Subventionen vor dem Zusammenbruch bewahren konnte.

Die Coronapandemie hat einen ähnlichen Einschnitt verursacht, und wieder konnten die heftigsten Auswirkungen durch starkes staatliches Eingreifen abgemildert bzw. verschoben werden. Doch im Zuge der aktuell explodierenden Preise, besonders bei Energie und Gas, scheint das System auf einen neuen Wendepunkt zu zusteuern: Prognosen sprechen von massiver Verarmung großer Teile der Bevölkerung in kurzer Zeit. Die „Fortschrittsregierung“ schwört die Bevölkerung auf einen harten Winter ein, gibt Stromspartipps und stützt vor allem das Kapital. Aber es gibt durchaus Maßnahmen gegen die Teuerungen (300 Euro Heizkostenzuschuss, Gaspreisdeckel, verringerte Mehrwertsteuer…). Diese Maßnahmen werden in einer Art Salamitaktik nach und nach vorgebracht. Damit versuchen die Herrschenden die Krise zu „ziehen“, und Protest einzudämmen. Das ist ein Zeichen dafür, dass sir die Lage (und den möglichen Protest) durchaus ernst nehmen. Natürlich wird das alles nicht reichen, und unsere Klasse wird trotzdem mit massiven Einschnitten konfrontiert sein.

Die Herrschenden spekulieren dabei auch darauf, dass sich die Menschen das Ganze weiterhin gefallen lassen. Es kann sein, dass es aber nicht mehr lange ruhig bleiben wird, sondern sich die massiven gesellschaftlichen Verwerfungen auch in Deutschland auf der Straße ausdrücken werden. Es gibt keine Garantie für einen „Heißen Herbst“. Aber die Bedingungen sind da. Dynamik kann sich in den nächsten Monaten an den Teuerungen entwickeln, vielleicht aber auch an der konkreten Kriegsgefahr, genauso ist aber auch eine weitere Befriedung der Lage durch die Herrschenden möglich. Konjunkturelle Schwankungen oder das Ausbleiben von Massenprotesten sollten uns nicht verleiten, zu denken, dass die tieferliegende Überproduktionskrise des Kapitalismus gelöst ist. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass die Linke in Deutschland in ihrer Wirkung in die Klasse, als auch was den Grad der Organisierung angeht, schwach aufgestellt ist. Das führt mit dazu, dass die Arbeiter:innenklasse es aktuell noch nicht schafft, eine eigene Agenda zu formulieren und einen eigenen Machtpol zu bilden. Gleichzeitig konnten die Rechten in der Corona-Phase eine gewisse Straßenpräsenz entwickeln, an die sie es zur Zeit schaffen, mit eigenen Krisenprotesten anknüpfen.
Kein Grund vor der Größe der Aufgabe zu kapitulieren! Denn was für die Herrschenden gilt, für unsere Klasse um so mehr: Es gibt keine Alternative zum Klassenkampf!

Für die revolutionäre Linke geht es also darum, Teil der Kämpfe zu werden, in der Praxis unsere Linie zu überprüfen und unsere Relevanz für die Klasse zu beweisen, unsere Strukturen und Gegenmacht aufzubauen und die Risse im System zu vertiefen.

1. Krieg heißt Krise und Krise heißt Krieg

Der russische Angriff auf die Ukraine und die Reaktion der Nato zeigt: Wir befinden uns in einer Phase, in der kriegerische Auseinandersetzungen wieder direkter auch zwischen Großmächten ausgetragen werden. Im Ukrainekrieg kämpfen Russland, die USA und Deutschland/die EU für ihre geostrategischen Interessen und wirtschaftlichen Einfluss. Auch in anderen Teilen der Welt spitzt sich die Lage zu. So äußert sich im Konflikt um Taiwan der zentrale Widerspruch zwischen China und den USA. Die (noch unkonkrete) Gefahr eines weltweiten Kriegs ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Wir können diese Entwicklung nicht als Zufall betrachten, sondern müssen sie als Ausdruck der Krise des Kapitalismus und der entsprechenden Zuspitzung der Widersprüche verstehen.

Die Bundesrepublik ist dabei (indirekte) Kriegspartei. Die Waffenhilfe für die Ukraine ist nicht selbstlos, sondern entspricht den führenden deutschen Kapitalinteresse, seinen Einfluss im Osten Europas – auf Märkte, Rohstoffe und Lieferrouten, aber auch militärisch wichtige Punkte – auszubauen und dem Konkurrenten Russland dasselbe zu verwehren. Hierfür bringt sich der deutsche Imperialismus mit seinem massiven Aufrüstungsprogramm und den Sanktionen gegen Russland in Stellung. Die Teuerungen im Energie- und Gassektor und bei vielen Rohstoffen hängen direkt mit den Sanktionen zusammen. Sie treffen auch in Russland vor allem die arme Bevölkerung anstatt der kapitalistischen Kriegstreiber. Die Entscheidung der deutschen Regierung, gleichzeitig 100-Milliarden in Rüstung zu investieren, zeigt ganz offen, wo ihre Prioritäten jetzt liegen. Linke Krisenproteste können die deutsche Kriegsbeteiligung also nicht ausklammern, sondern müssen in dieser Frage klar Haltung gegen die NATO, gegen Waffenexporte, Aufrüstung und den Wirtschaftskrieg beziehen. Genauso muss antimilitaristische Praxis immer im Bezug zu den sozialen Folgen des Kriegs stehen, sonst bleibt sie im besten Fall eine moralische Angelegenheit.

2. Klassenkampf!

Was sich von Beginn der Coronakrise an abgezeichnet hat, gilt nun umso mehr: wir treten in eine Phase ein, in der wir unsere Politik stärker auf die Arbeit in und mit der Arbeiter:innenklasse ausrichten müssen.

Viele Jahre lag der Fokus unserer Praxis besonders auf politischen Kämpfen – Antifa, Frauenkampf, Umweltbewegung, Internationalismus usw., Und das wird voraussichtlich auch weiterhin so bleiben, schließlich sind politische Widerstandsbewegungen aktuell die Orte an denen sich der Großteil der Menschen politisiert, wo wir Erfahrungen sammeln, Strukturen aufbauen und Praxis erproben können. Politische Fragen haben außerdem eine Bedeutung für die Lebensbedingungen unserer Klasse, und lassen sich nicht von Klasseninteressen trennen. Ökonomische Klassenkämpfe wiederum haben in den letzten Jahrzehnten wenn überhaupt nur sehr ritualisiert stattgefunden. Natürlich war und ist es immer richtig auch in soziale Proteste, Arbeitskämpfe und Gewerkschaften zu wirken. Schließlich kommt eine wirkliche Verankerung in der Klasse nicht über Nacht, sondern muss auch in Phasen relativer Stabilität kontinuierlich betrieben werden, um in den entschiedenen Phasen handlungsfähig zu sein.

Nach den sozialen Verwerfungen der Corona-Krise, sind die aktuellen Teuerungen ein weiterer massiver Angriff auf unsere Klasse und können objektiv die Möglichkeit für starken Widerstand auf der Straße bieten. Vor diesem Hintergrund kann sich auch Klassenbewusstsein sprunghaft entwickeln. Ob das funktioniert oder ob sich große Protestbewegungen mit einer Richtung formieren, die tatsächliche Schlagkraft entwickeln kann, liegt nicht zuletzt an uns als kommunistische Bewegung.

So oder so: Die Brüche im System zwischen Kapital und Arbeit werden in den nächsten Jahren stärker wahrnehmbar werden und die Auseinandersetzungen auf der Straße schärfer. Vielleicht entzünden sie sich an den aktuellen Teuerungen, vielleicht klassisch in Betriebskämpfen oder an der Gefahr des Krieges. Wir haben keine Glaskugel und müssen daher flexibel sein, neue Bezugspunkt herstellen, aber unsere zuvor aufgebauten Kontakte und Strukturen aufrecht erhalten und nutzen.

3. Konkrete Forderungen mit großer Perspektive

In möglichen Massenprotesten wird es besonders zentral sein, auf Augenhöhe mit den Menschen zu kämpfen, und gleichzeitig als Kommunist:innen sichtbar zu sein. Warum?

Es sind die sehr konkreten Bedürfnisse und Leiden des Alltags in der Krise, die die Menschen auf die Straße bringen. Das muss sich widerspiegeln: Wir kämpfen nicht einfach nur symbolisch und für das weit entfernte Ziel Revolution, sondern auch schon im Hier und Jetzt für Verbesserungen. Dafür müssen wir mit den Menschen reden, ihre akuten Anliegen verstehen und einbeziehen, dass die Krise viele Gesichter hat. Zum Beispiel ist die Lage der Frauen in Krisenzeiten eine Besondere. Erkämpfte Errungenschaften geraten in Gefahr; in sozialen Bereichen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, wird als erstes gespart; die Lage in den Familien verschärft sich und führt zu einer Zunahme von häuslicher Gewalt…. Ein anderer Aspekt ist die Frage, wie die Lage in der Klasse materiell tatsächlich ist: zehren die meisten Leute einfach an ihren Ersparnissen, müssen sie auf bestimmte Dinge verzichten, gibt es Angst vor Entlassungen oder gerät ein relevanter Teil unserer Klasse jetzt schon in existenzielle Nöte? Das sind alles Überlegungen, die wir anstellen müssen, um zu verstehen, welche Hebel und Forderungen die größte Wirkung entfalten können.

Nun sind aber breite, dynamische Proteste praktisch, organisatorisch, aber vor allem ideologisch zwischen verschiedensten Akteuren umkämpft. Reformistische Akteure, Rechte, Medien und vielleicht selbst die Kirchen werden über konkrete Forderungen um Einfluss auf die Bewegung ringen. Die wenigsten haben aber eine gesellschaftliche Perspektive, die über Krisenmanagement hinaus weist. Wir haben hier etwas anzubieten

Das heißt: Wir kämpfen mit den Leuten für konkrete Verbesserung, zeigen aber auch auf, dass diese „Lösungen“ im Kapitalismus immer unsicher und kurzfristig sind. Hier können wir Forderungen mit einer Perspektive verbinden: Wir können gegen die Gasumlage kämpfen und gleichzeitig aufzeigen, dass Krise und Krieg im Kapitalismus kein Ende finden werden. Stattdessen brauchen wir eine Energieversorgung in unseren Händen und eine geplante Wirtschaft. Erst dann ist auch eine ökologische (Energie-)Produktion möglich. Für einen Preisstopp bei Lebensmittel, Sprit, Gas etc. lohnt es sich zu kämpfen, aber im Kapitalismus werden die Konzerne immer Wege finden, diese zu umgehen, spätestens wenn Dynamiken auf der Straße wieder abnehmen. Um ein dauerhaftes Leben ohne Existenzängste zu ermöglichen, müssen wir die Macht der Kapitalist:innen brechen. Wir haben zwar keine einfachen Versprechungen im Angebot, aber wir kennen auch den ungefähren Weg dorthin: Klassenkampf, Organisierung und Revolution. Diese Position sollten wir nicht verstecken. In welchem Verhältnis die sozialistische Perspektive in der Praxis zu den Tagesforderungen der Bewegung steht, kann aber nur konkret beantwortet werden.

4. Es gibt keinen reinen Protest

Es ist zu erwarten, dass wir es in ausbrechenden Krisenprotesten nicht immer den Ausdruck, den wir von eigenen Aktionen gewohnt sind, haben werden. Spontane Bewegungen auf der Straße sind eine Spiegelung des – in Deutschland aktuell eher schwach ausgeprägten – Klassenbewusstseins. Diese Kämpfe werden sich ebenso sprunghaft, widersprüchlich und nicht linear, wie das Klassenbewusstsein selbst entwickeln. Und es gibt keine Garantie: Corona hat gezeigt, dass obwohl die Situation objektiv reif gewesen wäre für klassenkämpferischen Protest (Debatten über gesellschaftlich notwendige Arbeit, Klassencharakter der staatlichen Maßnahmen, Rettung von Unternehmen statt Menschen…) die breitesten Proteste von kleinbürgerlichen, oft verschwörungsideologischen Akteuren dominiert waren. Das ist nicht zuletzt der Schwäche linker Akteure zuzuordnen, von denen viele während der Hochphase von Corona und auch jetzt in der Burgfriedenpolitik der Regierung aufgehen, oder auf eine eigene Regierungsbeteiligung aus sind. Auch große Teile der radikalen Linken hat sich daher am Ende in Analysen von „Schwurblern“ verloren, anstatt eine eigene regierungskritische Position auf die Straße zu bringen und sich gegen unsinnige und arbeiter:innenfeindliche Maßnahmen dieses Staates zu stellen. Dadurch ist das Narrativ entstanden, Kritik an diesem System, seinem Staat und seiner Regierung käme nur von Rechts.

Auch wenn es natürlich auch von linke einige gute Ansätze gab – wir müssen aus den Fehlern lernen, es in kommenden Kämpfen besser machen und von Anfang an Teil der Bewegung zu sein, um sie zu prägen und um die richtigen Positionen zu streiten. Das können wir nur, wenn wir uns selber die Hände schmutzig machen, auf der Straße, nicht vom Schreibtisch aus. Wir dürfen nicht zurückschrecken vor Massenbewegungen die erst einmal diffus und politisch unklar sind. Es ist unsere Aufgabe, diese Klarheit zu vermitteln. Wir machen keine Kompromisse in unserer Grundhaltung gegenüber dem Klassenfeind und brauchen unsere Positionen nicht zu verstecken. Auch wenn wir damit erst mal ein kleiner Teil sein werden und die Aktionen nicht von Beginn an bestimmen, ist das kein Grund, sich nicht zu beteiligen. Das würde nämlich bedeuten, sie ohne Kampf den Rechten zu überlassen.

Neben den Rechten sehen wir aber gerade auch schon, dass soziale Proteste erst einmal von reformistischen Strömungen, Sozialverbänden etc. losgetreten werden. Wir dürfen dort nicht fernbleiben, müssen aber klar revolutionäre und klassenkämpferische Positionen aufzeigen und die Beteiligung Deutschlands am (Wirtschafts-)Krieg benennen. Klar regierungstragenden Akteuren, die dort vertreten sind, müssen wir auf der Straße entlarven.

In Bewegungen zu wirken, sie anzuleiten und damit zu einem Bewusstseinssprung der Massen beizutragen – all das sind Fähigkeiten, die wir dringend benötigen, wenn wir die revolutionäre Überwindung dieses Systems anstreben. Die Gelegenheit, das zu entwickeln haben wir nicht besonders häufig. Falls sich die Möglichkeit ergibt, sollten wir sie nutzen.

5. Der Feind steht rechts

Rechte Ideologien haben besonders in Krisenzeiten für die Herrschenden eine besondere Rolle zur Spaltung der Klasse und können daher einen Aufschwung erleben. Das in der Krise vom Abrutschen bedrohte Kleinbürgertum ist oft anfällig für und Träger von rechtem Gedankengut. Das hat während der Corona-Pandemie auch zur Prägung der großen maßnahmenkritischen Proteste beigetragen. Rechte und Faschist:innen versuchen auch jetzt eigene Krisen-Proteste unter dem Deckmantel der Sozialdemagogie zu veranstalten oder auf denen von anderen Akteuren Einfluss zu gewinnen. Es gibt große regionale Unterschiede, die wir beachten müssen. Aber aktuell bekommen AfD und ihre Verbündeten im Osten von Deutschland schon regelmäßig Tausende zu Krisenmobilisierungen auf die Straße, während linke Kundgebungen vergleichsweise klein sind.

Wenn wir als Kommunist:innen den Eindruck (und teilweise die Realität), dass der größte soziale Protest von rechts kommt, brechen wollen, ist es an uns, Teil von Bewegungen zu sein und trotzdem Rechte effektiv zu bekämpfen. Klar ist: Es kann keine Querfront mit Faschist:innen geben. Aber wir müssen lernen, die rechten Teile zu bekämpfen und herauszudrängen, ohne die Bewegung selbst zu bekämpfen.

Im Gegensatz zu rassistischen Bewegungen wie z.B. PEGIDA sind Proteste gegen Preiserhöhungen im Kern soziale Proteste. Zentral ist für uns also eine inhaltliche Entlarvung der rechten Argumentation, um zu zeigen, dass sie keine Lösungen im Sinne unserer Klasse anbieten, sondern im Gegenteil durch ihre Spaltungsideologien im Interesse des Kapitals handeln. Die Nähe zu Teilen des Kapitals lässt sich ebenfalls durch die tatsächliche Politik der AfD und auch persönliche Überschneidungen aufzeigen.

Konkret braucht es verschiedene und flexible Formen der antifaschistischen Praxis. Das beinhaltet direkte Konfrontation ebenso wie eine gründliche Recherche und aktuelle Bewertung des Charakters von Protesten. Einzelne Rechte, die wir bekämpfen können, bedeuten eine andere Bewertung als ein vollkommen von rechts eingenommene und dominierte Bewegung. Eine gute Vermittlung, um unsere antifaschistische Praxis den Menschen auf der Straße verständlich zu machen, muss ebenfalls Teil dieser Überlegungen sein.

Positiv ist, dass in den ersten Krisenprotesten bereits eine klare Abgrenzung nach Rechts aus dem Protest heraus erfolgt ist. Hier müssen wir ansetzen und diese Linie immer wieder ziehen. Dass aus dem liberalen Milieu dennoch Querfrontvorwürfe kommen werden, ist dabei nicht zu vermeiden und sollte uns nicht in unserer Linie beirren.

6. Aktuelle Kämpfe einbeziehen

Ein möglicher Kristallisationspunkt für Krisenproteste sind die kommenden Tarifverhandlungen in der Metall/Elektro-Branche und im Öffentlichen Dienst. Die Forderungen in den letzten Auseinandersetzungen (z.B. der Hafenarbeiter:innen) standen im klaren Zusammenhang mit den Teuerungen und nach einem Inflationsausgleich. Im Ansatz lässt sich hier also schon eine politische, über die ökonomische Forderung der bestimmten Branche hinausweisende Dimension erkennen: Die Frage nach den Kosten der Krise, wer sie zahlen soll, und ob der Preis der Ware Arbeitskraft insgesamt ebenso gesteigert werden kann wie die Preise der Lebenshaltung. Das können wir nur durch den Klassenkampf von unten durchsetzen: Direkt kommt dieser zum Vorschein in Form von Auseinandersetzungen um die Löhne und Arbeitszeit. Natürlich sind die Möglichkeiten in einer einzelnen Tarifrunde begrenzt, aber hohe Abschlüsse können eine Symbolkraft über Branchen hinaus entwickeln. Die einzelnen Kämpfe dürfen wir also nicht isoliert, sondern politisch, als Teil unseres Kampfes um die Lage der gesamten Klasse verstehen.

Wir machen uns keine Illusionen über die maßgeblich sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen. Dennoch ist die konkrete Rolle der Gewerkschaften bezogen auf die Krise, noch lange nicht klar: Auf der einen Seite gab es sicherlich im Zuge der „konzertierten Aktion“ von Scholz Absprachen mit der Regierung. Die jetzt möglichen steuerfreien Einmalzahlungen von bis zu 3000 € (die im Gegensatz zu höheren Löhnen keinen dauerhaften Inflationsausgleich darstellen, und auch nur für kleine Teile der Klasse überhaupt realistisch durchzusetzen sind) wurden sicherlich mit den DGB-Spitzen abgestimmt, als Teil der Strategie gegen Lohnforderungen. Auf der anderen Seite gibt es aus der Basis und auch aus Teilen des Apparats selber die Forderung keine Tarifverträge unter einem Inflationsausgleich abzuschließen. Die kämpferischen Tarifrunden in den Häfen und bei Lufthansa gingen zumindest schon einmal in die richtige Richtung. Hier zeigte sich außerdem schon, welches Konfrontationspotenzial in Arbeitskämpfen in der Krise steckt: In bürgerlichen Medien und Parteien kamen bereits erste Forderungen nach Streikverboten auf. Es könnte also durchaus unsere Aufgabe werden, einerseits die Gewerkschaftsführung für ihre zurückhaltende Rolle zu kritisieren und gleichzeitig die Gewerkschaften gegen die reaktionäre Stimmungsmache zu verteidigen. Auch in den ersten zaghaften Reaktionen auf die Krise gibt es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerkschaften und regionale Besonderheiten, die wir ausnutzen können. Wir sehen Gewerkschaften also nicht als monolithischen Block, sondern als unser Kampffeld. Daraus ergibt sich, dass wir dort und in den Betrieben aktiv wirken, auf eine klassenkämpferische Position pochen und die Kämpfe, überall wo wir Zugänge haben, zu radikalisieren.

7. Den Mehrwert für die Klasse steigern

Der Widerstand auf der Straße gegen die Regierungspolitik ist der wichtigste Ort für uns Kommunist:innen. Gegenmacht entsteht aber gerade in Krisensituationen auf vielfältige Weise: In Irland öffnet die Revolutionary Housing League leerstehende Gebäude und stellt sie Obdachlosen und Zwangsgeräumten zur Verfügung, in Südafrika helfen Linke Menschen, denen der Strom abgestellt wurde, diesen wieder einzuschalten, in Griechenland enteignen Anarchist:innen Supermärkte und verteilen Essen an Bedürftige oder bestetzt die kommunistische Gewerkschaftsfront PAME Mautstationen. In einem Winter, in dem Wohnungen kalt bleiben und ausreichend Lebensmittel unerschwinglich sind, kann es eine unserer Stärken als revolutionäre Bewegung sein, eine Praxis zu entwickeln, die in der Krise Mehrwert für die Klasse schafft. Auch soziale Angebote von links, die bestehenden Strukturen nutzen, können in Krisenphasen ganz anders politisch und praktisch in die Klasse wirken. Nicht um in karitativer Arbeit aufzugehen, nicht als Ersatz für antikapitalistischen Widerstand auf der Straße und auch nicht als reine Show. Es geht darum zu zeigen, dass wir mehr anzubieten haben als nur Kundgebungen, darum Kämpfe zu radikalisieren und unseren Klassenstandpunkt praktisch zu machen.

8. Die Systemfrage stellen und beantworten

Der Kampf um steigende Preise und Krisenlasten scheint auf den ersten Blick ein rein ökonomischer zu sein, doch an vielen Stellen bricht die Systemfrage durch. Die Unzulänglichkeiten des Kapitalismus zeigen sich sehr konkret an gestörten globalen Lieferketten, an Preisexplosionen durch Spekulation, sich verschärfender sozialer Ungleichheit und Verarmung. Diese Fehler im System aufzuzeigen, ist einfach, reicht aber nicht aus. Wir müssen klar zu machen, dass eine Alternative existiert. Nicht nur deshalb ist es elementar, dass wir offen als Kommunist:innen sichtbar sind. Historische Punkte der Krise der Herrschenden bei gleichzeitiger Unzufriedenheit der Beherrschten schafft eine Situation, in der Menschen sehr viel empfänglicher sind für revolutionäre Ideen als in Zeiten der Stabilität.

Hier können wir in unserer Agitation deutlich machen: der Kapitalismus und seine Vertreter:innen haben uns nichts anzubieten. Weder können sie ein materiell gutes Leben für alle Menschen garantieren, noch die großen Fragen der Gesellschaft beantworten. Auf die Bedrohung der Klimakrise antworten sie mit einem fossilen Rollback, auf die Gefahr eines dritten Weltkriegs mit massiver Aufrüstung und auf die Millionen Menschen, die zur Flucht gezwungen werden, mit Abschottung der EU-Außengrenzen. Die Ausweglosigkeit des Systems und Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs zeigt sich in allen Facetten der Krise. Es liegt an uns, diese offensichtliche Feststellung mit der Perspektive Sozialismus zu verbinden. Und diese Perspektive so mit Leben zu füllen, dass es sich dafür zu kämpfen lohnt.

 


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