Jedes Jahr Anfang Januar kommen tausende Menschen in Berlin zusammen, um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken. Die Demonstration in der Erinnerung an Luxemburg-Liebknecht-Lenin hat bis heute ihre Anziehungskraft nicht verloren. Ihre Bedeutung geht über die kommunistische Bewegung hinaus. Das bürgerliche Lager und ihre Medienhäuser schauen genauso auf die Demonstration wie andere Teile der politischen Linken.
Dass die LLL-Demonstration heute kein Relikt vergangener Zeit ist, liegt in ihr selbst. Seit Beginn an ist das Gedenken an die Führer:innen der Novemberrevolution 1918 mit den Angriffen der Konterrevolution konfrontiert – außer in den vier Jahrzehnten, in denen es mit der DDR einen anderen deutschen, einen sozialistischen Staat gab, wo das Gedenken an Luxemburg und Liebknecht Ehrensache und Vermächtnis war.
Die Angriffe sind nicht ohne Grund: Die Namen selbst, derer Anfang Januar in Berlin gedacht wird, sind den Herrschenden bis heute ein Dorn im Auge. Es sind die Mitbegründer:innen der kommunistischen Partei, die immerhin maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der 1.Weltkrieg für den deutschen Imperialismus, die Herrschenden und Kapitalisten in diesem Land zuerst einmal verloren ging und das Proletariat einige Siege davon tragen konnte.
Es ist das Festhalten am revolutionären Bruch und der sozialistischen Revolution, das Aufzeigen einer kommunistischen Perspektive, das gerade jetzt, angesichts der sich verschärfenden kapitalistischen Krise und der Kriegsgefahr an Bedeutung gewinnt.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren Führer:innen der revolutionären und kommunistischen Bewegung. Mit all ihren Kräften setzten sie sich ein, um der Novemberrevolution ein einheitliches Programm und Ziel zu geben, die Arbeiter:innenklasse zu organisieren und die kommunistische Partei, deren Fehlen sich ganz direkt in den stürmischen Monaten der Revolution zeigte, aufzubauen. Sie beide bezahlten den Kampf, wie viele andere mit ihrem Leben.
Im Angesicht der Niederschlagung der sozialistischen Revolution schrieb Luxemburg:
„Und darum wird aus dieser ‹Niederlage› der künftige Sieg erblühen.
‹Ordnung herrscht in Berlin!› Ihr stumpfen Schergen!
Eure ‹Ordnung› ist auf Sand gebaut.
Die Revolution wird sich morgen schon ‹rasselnd wieder in die Höh’ richten› und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden:
Ich war, ich bin, ich werde sein!“
Schließlich wurden Liebknecht und Luxemburg zusammen von Freikorps-Soldaten gefangengenommen und auf Geheiß der Herrschenden und mit der Zustimmung der SPD-Oberen, am 15. Januar 1919 in Berlin ermordet.
Das kämpfende Proletariat wurde besiegt. Eine Kapitulation war es nicht. Die deutsche kommunistische Partei entwickelte sich in den darauf folgenden Jahren zur Massenpartei mit hunderttausenden Mitgliedern.
Der Schreck saß tief in den Kreisen der Militärs, des Großkapitals und in den Wohnstuben des Bürgertums. Eine Lehre der Herrschenden aus den Ereignissen 1918/19 und dem erzwungenen Kriegsende durch die revolutionären Arbeiter:innen und Soldaten war der nur wenige Jahre später an die Macht gebrachte deutsche Faschismus mit Hitler und der NSDAP. Nie mehr sollten die Arbeiter:innen an der „Heimatfront“ ihren Eroberungszielen in den Rücken fallen.
Und heute wird in diesem Land wieder aufgerüstet. Der deutsche Imperialismus trägt seine Aggression wieder nach außen. Deutschland deckt den Krieg gegen Palästina und den Genozid in Gaza – nicht einzig durch die Lieferung von Waffen und der Zusammenarbeit mit der israelischen Kriegsindustrie, sondern durch das politische Verteidigen des Genozid gegen die Menschen im Gazastreifen. Während andere westliche Länder zumindest verbal Kritik am Handeln des israelischen Staates üben, gibt es von hier Rückendeckung. „Israel macht für uns die Drecksarbeit“ waren die Worte des Bundeskanzlers zum Angriff auf den Iran.
Auch in seiner Partnerschaft mit der Türkei, sticht der deutsche Imperialismus mit Waffengeschäften und Rückendeckung und dem besonderem Eifer bei der Verfolgung der kurdischen Befreiungsbewegung und türkischer Kommunist:innen im eigenen Land hervor.
Im Krieg gegen Russland ist die BRD mit der wichtigste und entschiedenste Unterstützer der Ukraine, wenn es darum geht den Krieg weiter zu führen und Friedensverhandlungen zu sabotieren.
In dem Ringen um eine Neuaufteilung der Welt, im Interesse der verschiedenen Machtblöcke, formuliert Deutschland heute wieder offen seinen Führungs- und Machtanspruch.
Ihre Großmachtsfantasien haben die herrschenden Kreise in diesem Land auch mit den Erfahrungen zweier Weltkriege nicht aufgegeben. Wirtschaftlich läuft die BRD Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und auch technologisch abgehängt zu werden. Seit dem Griff nach dem „Platz an der Sonne“ 1914 war die Option zur Lösung darauf immer auch die militärische Aggression nach außen. Jahrzehntelang haben das deutsch Großkapital und seine Büttel im Parlament darauf hin gearbeitet, wieder Führung zu übernehmen. Mit der Ansage militärisch stärkste Macht Europas zu werden, findet der deutsche Militarismus in der „Zeitenwende“ wieder zu sich selbst und die Kriegsindustrie zieht mit. Der Rheinmetall-Konzern steuert darauf zu, zu einem der größten und mächtigsten Rüstungsunternehmen der Welt zu werden.
So wie die Aufrüstung und Aggression nach Außen gerichtet ist, so wird sie im selben Maß nach innen vorangetrieben: Gegen die Lohnabhängigen, gegen jegliche erkämpfte Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innen. Der offizielle 8 Stunden-Arbeitstag wird angegriffen, Feiertage sollen gestrichen werden, das Rentenalter erhöht und das Streikrecht gekippt werden. Begleitet durch rassistische Hetze und mit konstruierten Feindbildern, wird von oben Sozialabbau, Repression, Ausgrenzung vorangetrieben. Bekämpft wird die gesellschaftliche Linke als Ganzes. Die Folgen zeigen sich bereits jetzt in einer massiven Verschlechterung der Lebensbedienungen der lohnabhängigen Klasse. Und auch die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden.
Die Losung Karl Liebknechts „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist heute so aktuell wie zu Beginn des ersten Weltkrieges. Die von Luxemburg benannte die Perspektive: „Sozialismus oder Barbarei“ ist heute wieder die Frage vor der wir stehen. Ein entweder oder!
Heute an die Kämpfe und die Gefallenen von vor über 100 Jahren zu erinnern, heißt gegen die Herrschenden und ihre Ordnung zu kämpfen. Die Bedingungen damals und heute sind in vieler Hinsicht andere. Die Arbeiter:innenbewegung ist heute schwach und nur in Ansätzen greifbar, die lohnabhängige Klasse selbst ist zersplittert, vereinzelt und sich ihrer selbst nicht bewusst. Und dennoch gibt es wesentliche Punkte, das dieser gesellschaftlichen Ordnung Zugrundeliegende, was sich nicht geändert hat. Das ist das Ausbeutungsverhältnis, die bürgerliche Klassenherrschaft, die Ausbeutung der Lohnabhängigen, es ist der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit und daraus folgend Konkurrenz und die Tendenz zum Krieg gegen andere Länder.
Aus dem Gedenken an die Führer:innen der Revolution 1918 können wir Lehren und Anhaltspunkte zum Aufbau der revolutionären Seite und der revolutionären Organisierung ziehen: Zentral ist, was eigentlich klar sein sollte – kommunistische Organisierung ist kein Selbstzweck, sie ist ein zentrales Werkzeug im Klassenkampf und im Ringen um den Sozialismus. Rosa und Karl geben uns mehr mit als Lehren des Parteiaufbaus – es sind die Hauptfeindlinie bei Liebknecht, die Orientierung und das Festhalten am Richtigen auch in der Position der absoluten Minderheit, es ist die scharfe Abwehr von Nationalismus und Chauvinismus, die Klarheit im Ringen von Reform und Revolution bei Luxemburg.
… und es ist ihre Standfestigkeit und Mut im Angesicht von Gefängnis, Schützengraben, Todesdrohung – und trotz alledem….
Wir bekommen immer öfter und härter zu spüren, dass die Gegenseite jeder Form von Widerstand, der sich als Maßstab nicht in dem von ihnen festgelegten Rahmen bewegt, mit Repression begegnet.
Besonders energisch geht der Staat gegen Proteste in Solidarität mit Palästina vor und auch gegen antimilitaristische Aktionen und Demonstrationen wird der Ton rauer – deutlich wurde das beim Rheinmetall Entwaffnen Camp im letzten Jahr in Köln. Dass auch die LLL Demonstration in den letzten Jahren schärfer angegriffen wurde, soll uns nicht wundern – es ist die Bedeutung des LLL Gedenkens. Es ist die klare revolutionäre Orientierung darin, das unerschütterliche Festhalten an der Notwendigkeit des revolutionären Bruchs mit den herrschenden Verhältnissen und dem Aufbau des Sozialismus. Angegriffen werden die Vorbilder, die lebendige Suche nach gesellschaftlicher Alternative und die Antwort darauf – die kommunistische Organisierung.
Wenn wir also heute an die Kämpfe von damals erinnern und im Januar in Berlin auf die Straße gehen, ist dies nichts bei dem wir die Geschichte als etwas Zurückliegendes und Abgeschlossenes betrachten. Was bedeutet das Gedenken, in welchem Verhältnis stehen wir zu den Gefallenen und Führer:innen der kommunistischen Bewegung? Ein lebendiges Erinnern und Gedenken setzt voraus, dass wir keine Trennung zwischen damals und heute ziehen, die Geschichte als Prozess begreifen und die Kontinuität im Klassenkampf erkennen.
Für uns bedeutet das: dass wir uns aus der Praxis und dem Kampf heraus annähern. Die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist immer etwas lebendiges, das nicht in der Vergangenheit abgeschlossen bleibt oder ein starres Bild kommunistischer Führer:innen und Partei bastelt, das wir mit uns tragen.
Bewegung, Organisierung, Bruch, Kontinuität. Gemeinsam mit dem Bund der Kommunist:innen Berlin, der Roten Jugend Deutschland und anderen Strukturen organisieren wir auf der LLL-Demonstration den revolutionären Block.
Für ein kämpferisches Gedenken an unseren Genoss:innen und die Führer:innen der kommunistischen Bewegung.
Den revolutionären Aufbau als Prozess begreifen – Gegenmacht aufbauen – für eine revolutionäre Perspektive!
Hinein in den revolutionären Block!
