Das Interesse und die Mobilisierungsfähigkeit der revolutionären und antikapitalistischen Linken an einem kämpferischen Antimilitarismus wächst offensichtlich. Das RME-Camp war mit bis zu 1400 Menschen deutlich größer als im vergangenen Jahr in Kiel. Die Beteiligung an der Mobilisierung, war wohl besonders stark, weil alles darauf hindeutet, dass die Positionierung, die Handlungs-, und Mobilisierungsfähigkeit in der Kriegsfrage in der kommenden Zeit eine existenzielle Bedeutung für linke Kräfte haben wird. Die Frage „Sozialismus oder Barbarei“, mit der Rosa Luxemburg die historische Epoche rund um den 1. Weltkrieg charakterisiert hat, ist wieder brandaktuell. Keine Antwort ist hier auch eine Antwort.

Es ist klar, dass die Politisierung und Entwicklung von Klassenkämpfen in diese Richtung weitaus vielschichtiger, langfristiger sein muss und wesentlich größere Herausforderungen beinhaltet, als das Zusammenwirken von Widerstandskräften rund um ein bundesweites Event. Außer Frage steht aber auch, dass dieses Zusammenwirken Inspiration und Motivation für die Entwicklung langfristig angelegter Antikriegsarbeit auch auf lokaler Ebene geliefert hat. Die dort begonnenen Diskussionen, die erfahrene Solidarität, die politischen und praktischen Impulse und nicht zuletzt die Erkenntnis, wie ernsthaft dieser Kampf den Herrschenden entgegensteht – daran kann und sollte in organisierter lokaler Arbeit angeknüpft werden.

Allgemeiner betrachtet hat die Mobilisierung den Rahmen für einen Moment der politischen, organisatorischen und praktischen Einheit insbesondere unter revolutionären Kräften geboten: ein Moment erlebbarer Gegenmacht, gefüllt mit einem ganzen Spektrum an gemeinsamen Erfahrungen:

  • Die Entwicklung und Gestaltung eines eigenen physischen und politischen Raums
  • eine Vielzahl von spontanen und offenbar auch aufwändig geplanten Angriffen, Blockaden, Demos und Kundgebungen
  • gemeinsame Erfahrungen in der Konfrontation mit der Gegenseite
  • Diskussionen zu grundlegenden theoretischen und strategischen Fragen und aktuellen Analysen 

Es liegt auf der Hand, daran anzuknüpfen – nicht allein mit Blick auf den Kampf gegen Krieg und Militarisierung, sondern auch mit der Perspektive die Zusammenarbeit im revolutionären Spektrum voranzubringen und Fähigkeiten gezielt zu entwickeln.

Im Folgenden einige Aspekte und Erkenntnisse, die wir im Kontext der Mobilisierung für bemerkenswert halten. Wir schaffen es sicher nicht, damit Allen der vielen guten und interessanten Aktionen, Veranstaltungen und Initiativen, die im RME Rahmen stattgefunden haben, gerecht zu werden. Es ist jedes Jahr das gleiche (Luxus-)Problem mit den Aktionstagen und dem Veranstaltungsprogramm: Die dort geschaffenen Möglichkeiten an Praxis und Diskussion, übersteigen unsere Möglichkeiten, an allen Stellen präsent zu sein, die uns interessant und/oder wichtig erscheinen.

 

1. Die Thematik Krieg und Frieden ist untrennbar mit den anderen, aktuell wesentlichen Fragen des Klassenkampfes verbunden. Kürzungen und umfassender Sozialabbau zugunsten von Aufrüstung und die reaktionäre und rassistische Jagd auf jede Form von Palästinasolidarität sind dafür aktuell wohl die deutlichsten Belege.

Die Ursachen für den Rechtsruck und den mit ihm verbundenen autoritären Staatsumbau, für die sich vertiefende soziale Krise und für den Kriegskurs der Herrschenden liegen in ein und derselben kapitalistischen Krise. Es liegt auf der Hand, dass auch die Widerstandskämpfe gegen diese Phänomene miteinander verbunden werden müssen.

In den kommenden Mobilisierungen zu RME-Aktionstagen oder Ähnlichem, wird es wichtig sein, die verschiedenen Ausgangspunkte, aus denen für eine antimilitaristische Praxis mobilisiert werden kann, stärker zu beachten. Das bedeutet nicht, dass jedes Flugblatt und jede Aktion den großen Rundumschlag wagen muss. Mehr Bezüge zu anderen gesellschaftlichen Widersprüchen und ein breiteres Mobilisierungsangebot, das über die schon aktiven Strukturen hinausreicht, wären aber möglich ohne dem Gesamtprojekt seine Qualitäten zu nehmen.

 

2. Die RME-Aktionstage leben von der Breite des Spektrums der Gruppen die sich verantwortungsvoll, verbindlich und solidarisch für das Projekt engagieren. Die wichtigsten politischen Grundlagen für diese Zusammenarbeit sind der Kampf gegen die herrschende Klasse im eigenen Land – im Besonderen gegen die deutsche Kriegsindustrie und die Militarisierung – sowie der klare internationalistische Bezug zur kurdischen Befreiungsbewegung und die Solidarität mit Palästina.

Die Strahlkraft in die radikale und revolutionäre Linke hinein, die die RME-Aktionen in den letzten Jahren zunehmend entwickelt haben, liegt unserer Einschätzung nach

  • am eingeschlagenen Aufrüstungs- und Kriegskurs der Herrschenden
  • an den gemeinsamen Positionierungen zu wesentlichen Fragen in Sachen Internationalismus und Antiimperialismus : Ukraine, NATO, Russland, Palästina, der Hauptfeind steht im eigenen Land – entgegen der Verirrung vieler Linker in den letzten Jahren, ins Lager der Kriegstreiber überzulaufen.
  • an der offensiven, vielschichtigen, zielgerichteten Praxis gegen Akteure und Strukturen des deutschen Imperialismus, die sich jedes Jahr wieder im Kontext der Mobilisierungen entfaltet

Die Bündnisarbeit in diesem Rahmen ist ein Raum, in dem wir vor allem nach Einheit und Gemeinsamkeiten suchen. Es geht nicht in erster Linie um die Durchsetzung der eigenen Positionen, sondern um das Schaffen einer gemeinsamen Arbeit. Dabei verstehen wir die Unterschiedlichkeiten, die organisatorische und politische Eigenständigkeit der beteiligten Strukturen eher als Qualität und nicht als Hemmschuh. Wesentlich ist dabei ein differenziertes Verhältnis, das eine Entfaltung der verschiedenen Ansätze ebenso ermöglicht, wie eine verbindliche und möglichst weitgehende Einheit in entscheidenden politischen Fragen (siehe oben). Die Bündnisarbeit nur auf die Suche nach kleinsten gemeinsamen Nennern beschränken, würde aller Wahrscheinlichkeit zu einem Ergebnis führen, mit dem niemand richtig zufrieden sein kann.

 

3. Die Aktivitäten im RME-Rahmen kamen maßgeblich von Kräften aus der politischen Widerstandsbewegung. Das heißt aber nicht, dass sie völlig an weiteren Teilen der Klasse vorbeigegangen sind. Da war die erfreuliche Ablehnung der Bullen und ihres martialischen Auftretens durch Passant:innen und Anwohner:innen – gerade im proletarisch und migrantisch geprägten Stadtteil Köln-Kalk, wo u.a. Schüler:innen auf einen Tross vorbeiziehender Bulleinheiten vorbildlich mit lautstarken Beleidigungen reagierten.

Darüber hinaus wurde in Gesprächen am Rand von Aktionen viel Verständnis und Interesse für den Kampf gegen Krieg gezeigt. Teilweise kam es sogar zu praktischen Solidarisierungen z.B. durch die Beteiligung an der Versorgung von eingekesselten Aktivist:innen. Gegenüber Journalist:innen äußerten auch zwei Arbeiter der während der Aktionstage blockierten Deutz-AG – ein weltbekannter Motorenbauer, der sein Rüstungsgeschäft gerade massiv ausbaut – dass sie lieber andere Dinge produzieren würden, als Kriegsgerät. Zur Realität gehört aber auch, dass Sympathie und Interesse noch lange nicht Aktivität bedeuten und dass es ebenso ablehnende Reaktion gab. Fakt ist: Die Krise der herrschenden Verhältnisse politisiert die Gesellschaft zunehmend. Der Zusammenhang zwischen Aufrüstung, Sozialabbau, Repression und den blutigen Kriegen der Herrschenden anderswo, wird für die Menschen hier im Land deutlich erfahrbarer. Die moralische Ablehnung der heute im Livestream übertragenen Kriege und die zunehmend direkte Betroffenheit unserer Klasse lassen sich immer besser zusammenzubringen

Die kurzfristig auf dem Camp organisierte Demo gegen den Kabinettsbeschluss zum Wehrdienst mit knapp 1000 Teilnehmer:innen war ein Ausdruck davon, dass es auch in der Widerstandsbewegung selbst großes Interesse an Kämpfen gibt, die breite Teile der Bevölkerung betreffen. Das hat wohl vor allem damit zu tun, dass sich große Teile der politischen Widerstandsbewegung inzwischen als klassenkämpferisch begreifen, sich nicht von den Massen isolieren und aus reiner Szenepolitik ausbrechen wollen.

Spontane Demo anlässlich des Kabinettsbeschlusses zum Wehrdienst mit knapp 1000 Leuten am Mittwoch, den 27.8.

 

4.Es ist uns noch unklar, in welchem Verhältnis sich die aktuellen Ansätze aus dem revolutionären und antikapitalistischen Lager wie eben RME zur (potenziellen) Kriegsgegnerschaft in reformistischen Kreisen entwickeln.

Es wäre auf RME bezogen nicht richtig, von einer schroffen Trennlinie auszugehen, weil sich in kleinerer Dimension auch reformistisch orientierte Kräfte an den Aktionstagen beteiligt haben: Vereinzelt auf dem Camp, in Form einer Mobilisierung der lokalen Friedensbewegung zum Antikriegstag, die sich der Abschlussdemo anschloss, als parlamentarische Beobachter:innen auf der Demo und insbesondere in der Positionierung nach dem Bullenangriff auf die Demo und dem Kessel (u.a. der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein). Hier wurden und werden Stimmen laut, die die Legitimität des Protests bestärken.

Dennoch bleibt die drängende Frage, in welchen Formen und an welchen Stellen auch breitere Einheiten gegen die Forcierung des Kriegskurses möglich sind. Zum Beispiel mit gewerkschaftlichen und betrieblichen Strukturen und Zusammenhängen, die sich gegen den Kurs ihrer Führungen stellen, mit Teilen der linken parlamentarischen Opposition, mit Kräften der klassischen Friedensbewegung, mit antirassistischen, antifaschistischen und humanistischen Gruppen, fortschrittlichen Exil-Strukturen etc…Eine Möglichkeit in dieser Frage weiterzukommen werden die breit angelegten und bundesweiten Antikriegsmobilisierungen rund um den 3. Oktober bieten.

Die Entwicklung eines breiten antimilitaristischen Kampfes wird davon abhängig sein, dass sich Bewusstsein und Aktivität in verschiedenen Formen und bei unterschiedlichen Kräften entwickelt, dass Möglichkeiten und Motivation entstehen, sich immer wieder aus verschiedenen Richtungen praktisch zu den gleichen Fragen zu verhalten. Das bedeutet nicht, sich in allen Fragen einig zu sein und die gleiche Praxis zu haben – es bedeutet aber zu diskutieren und zu vermitteln und Bezüge zueinander herzustellen. Viele der Aktivitäten, die im RME-Rahmen stattfanden, sind vor allem Ausdruck einer nach vorne weisenden revolutionären Praxis und Perspektive. Um diese nicht nur isoliert für sich stehen zu lassen, ist es einerseits wichtig, sie auch in einem breiteren politischen Spektrum zu vermitteln und diskutierbar zu machen und andererseits auch mit niedrigschwelligeren und breiter zugänglichen Aktionsangeboten zu arbeiten.

 

5. Im „Revolutionären Barrio“ auf dem Camp hat sich mit mehreren hundert Genoss:innen eine fruchtbare Zusammenarbeit verschiedener revolutionärer Strukturen entwickelt.

Das Barrio war ein kollektiver identitätsstiftender Ort, vor allem aber eine organisierte Form der Suche nach Einheit in kämpferischer Praxis. Die Qualität war, dass alle beteiligten Strukturen die Zusammenarbeit in einem größerem Kontext verstanden: Als Teil eines revolutionären Aufbauprozesses, des Aufbaus der eigenen Seite im Klassenkampf. Hier haben sich Genoss:innen versammelt, die einen revolutionären Organisierungsprozess in enger Verbindung zur Entwicklung von Gegenmacht in konkreten Kämpfen sehen und die Suche nach einer fruchtbaren Dialektik zwischen beidem, als gemeinsame Herausforderung begreifen. Ernsthafte Diskussionen zu Besonderheiten, Widersprüchen und allgemeinen Orientierungen in diesem Prozess, haben die Aktionswoche mitgeprägt. Dabei ist uns besonders ein großes Interesse an marxistischen Grundlagen und ein offener Umgang miteinander über Strukturgrenzen hinweg positiv aufgefallen. Es war deutlich mehr, als ein rein aktivistisches Zusammenkommen.

Veranstaltungen zur Analyse der imperialistischen Zeitenwende und der Konsequenzen daraus für revolutionäre Politik, zu verschiedenen Ansätzen von revolutionärem Internationalismus und zu feministischer Militanz, waren Teil des gemeinsamen Camp-Programms, wurden gut besucht und haben es ermöglicht, zu diesen Fragen auch mit einem breiteren Spektrum zu diskutieren.

Wir verstehen das „Revolutionäre Barrio“ als einen integrativen und solidarischen Teil des Bündnis-Camps, und gleichzeitig als besonderen politisch-organisatorischen Raum – nicht als ganz eigenen, abgegrenzten Bereich, als „Camp im Camp“. Das ist eine widersprüchliche Situation, in der auch in diesem Jahr nicht alles fehlerfrei und reibungslos gelaufen ist. Im Großen und Ganzen denken wir aber, dass uns diese Gratwanderung dieses Mal etwas besser als in der Vergangenheit gelungen ist und dass das Barrio einen konstruktiven Teil zur Gesamtmobilisierung beitragen konnte.

 

6. Spätestens der RME-Aktionstag im letzten Jahr in Kiel hat gezeigt, dass es klügere Aktionskonzepte braucht, als sich in großen Formationen vom Camp aus zu Blockaden aufzumachen. Zu berechenbar, zu angreifbar – und letzten Endes abhängig vom Willen der Gegenseite. Zumal das Wichtige an derartigen Aktionen ja nicht nur das Erreichen eines bestimmten praktischen Ziels ist, sondern auch ihr selbstbestimmter Charakter.

Die verschiedenen erfolgreichen Blockadeaktionen und Angriffe während der diesjährigen Aktionstage haben gezeigt, dass es auch anders geht und, dass die verschiedenen Organisator:innen offensichtlich ähnlichen Überlegungen nachgegangen sind. Die Besonderheiten und Möglichkeiten des urbanen Raums wurden genutzt, um eine ganze Reihe an größeren und kleineren Aktionen durchzuführen, auf die die Bullen letztlich nur reagieren konnten. Die Initiative lag eindeutig bei den Aktivist:innen, die organisiert, zielstrebig und teilweise zeitgleich an verschiedenen Stellen agiert haben. In Zeiten von Genozid und offener Kriegsvorbereitungen wächst die Bedeutung einer Praxis, die den Antagonismus zu diesem System und seinen Schergen greifbar macht.

 

 

 

 

7. Die Gegenseite ist von Beginn an repressiv gegen die Mobilisierung vorgegangen und hat allem Anschein nach auf einen größeren Angriff hingearbeitet. Das wurde im Vorhinein durch das versuchte Campverbot und im Laufe der Aktionstage spätestens durch den völlig entgrenzten Angriff auf die Parade/Demo deutlich. Dass eine ganze Reihe von Aktionen und Blockaden dennoch erfolgreich durchgeführt werden konnten, lag wohl weniger am fehlenden politischen Willen der Repressionsorgane, mehr an ihren taktischen Schwächen und an den klug ausgetüftelten Aktionen.

So hart die Repressionsorgane bei den Aktionstagen auch aufgetreten sind – ihre unmittelbare Ziele haben sie verfehlt:

→ Das versuchte Campverbot hat nicht desorganisierend und verunsichernd gewirkt, sondern hat eine „jetzt erst Recht“ Mobilisierung von verschiedenen Seiten hervorgebracht. Auch das RME-Bündnis hat eine Absage des Camps mit seinem Programm und Aktionen nicht einmal in Erwägung gezogen. Stattdessen wurde ein Plan B in Stellung gebracht.

→ Der Versuch, den revolutionären Block abzusondern und zu zerschlagen, war eine klare Feindmarkierung und sollte die Demo/Parade spalten. Auch das ist ihnen nicht gelungen.

Der Angriff wurde von der gesamten Parade/Demo als das verstanden, was er war: Als Fortführung des Camp-Verbots mit anderen Mitteln, als gezielte Verhinderung einer breiten Antikriegs-Aktion, als Versuch den Aufbau einer Antikriegsbewegung schon im Keim zu ersticken, als dystopische Zukunftsvision des autoritären Staatsumbaus. Der Auftritt der Bullen als unberechenbare Staatsgewalt in Reinform, die sich nach Belieben über sämtliche bürgerlich-demokratischen, humanistischen oder moralischen Gepflogenheiten hinwegsetzt und eine Demo ohne ersichtlichen Grund wie eine feindliche Streitmacht aufmischt, hat sicherlich Eindruck hinterlassen.

Gleichzeitig hat die Repression aber auch verschiedene Teile der Linken punktuell an einem Strang ziehen lassen: ein breites Spektrum antikapitalistischer und revolutionärer Kräfte, Teile der klassischen Friedensbewegung, sowie fortschrittliche demokratische Kräfte z.B. aus den Reihen der Linkspartei zeigen sich klar solidarisch. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es hier nicht um einen Einzelfall geht: Ähnlich eskalativ, unberechenbar und brutal haben sich die Bullen in den letzten zwei Jahren vor allem gegenüber Palästina-Solidaritätsdemos verhalten. Der Angriff auf RME muss im Kontext einer prozesshaften Normalisierung enthemmter Bullengewalt verstanden werdenI

Ein besonderes Phänomen im Widerstand gegen die Repression, das historischen Wert hat, war der Widerstandsgeist und die Solidarität im und um den gekesselten revolutionären Block auf der Parade/Demo. Wie stark die hunderten gekesselten Genoss:innen mit der annähernd 12-Stunden langen schikanösen, brutalen und entwürdigenden „Maßnahme“ umgegangen sind, verdient eine eigene Betrachtung. An dieser Stelle nur soviel:

→ Das vergiftete (und verlogene) Angebot der Bullen, dass friedfertige Teile den Kessel verlassen könnten, um die „Straftäter:innen“ zurückzulassen, wurde kollektiv ignoriert – der absolute Großteil der Gekesselten musste von den Bullen aus eingehakten Reihen herausgerissen werden. Bis zuletzt hielten sie, aller körperlichen Erschöpfung und Ängste zum Trotz, den regelmäßigen Prügelangriffen der Bullen Stand.

→ Im Innern organisierten Genoss:innen zusammen mit den Demo-Sanis die medizinische Versorgung von Verletzten, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungs- und Hygienemitteln wurde von solidarischen Strukturen von Außen organisiert, sogar eine Toilette wurde improvisiert.

→ Durchgehender revolutionärer Gesang, Parolen, Musik, politische Beiträge und Ansprachen an Anwohner:innen verwandelten das, was die Bullen als Maßnahme zur Beendigung einer politischen Aktion angelegt hatten, in eine eigene politischen Aktion: Eine ziemlich beispiellose Sache voller Kollektivität, Widerstandsgeist, revolutionärem Optimismus und gelebter Solidarität.

Das Lower Class Magazine hat dieses Video zur Demo veröffentlicht und ein Interview mit dem RME-Bündnis in Nachgang der Aktionstage geführt

 

Es wird nun wichtig sein, Initiativen zu unterstützen, die sich auf verschiedenen Ebenen gegen den Angriff richten und sich dafür einsetzen, dass er nicht völlig ohne Konsequenzen bleibt. Was wir erlebt haben, ist eine neue Qualität des Versuchs unsere aktuellen Kampfbedingungen durch die willkürliche und völlige Infragestellung der Versammlungsfreiheit massiv zu verschlechtern. Das betrifft auch Kräfte weit über das revolutionäre und antimilitaristische Spektrum hinaus.

Unabhängig davon, ob es derzeit erfolgsversprechend ist, bürgerliche Gerichte, parlamentarische Kräfte und Reste der demokratischen Zivilgesellschaft in dieser Frage zu aktivieren, führt es in eine Sackgasse und in die Isolation, diese Ebenen im Widerstand gegen den autoritären Staatsumbau nicht zu beachten. Gleichzeitig hat die Geschichte uns oft genug gezeigt, dass die bürgerliche Demokratie ganz sicher nicht der Rettungsanker sein wird, der die Gesellschaft vor autoritären Umbrüchen bewahren könnte. Kriegskurs, Repression und Rechtsruck sind verschärfter Klassenkampf von oben. Dagegen hilft nur Klassenkampf von unten.

 

Es bleibt dabei: Sozialismus oder Barbarei!

 

 

Allgemein hat die Mobilisierung viel aufgezeigt und einige Fragen klarer herauskristallisiert. Wir verstehen das als Chance, uns nun tiefer mit einigen Dingen befassen zu können:

→ Wie können wir weiter am Aufbau einer großen, schlagkräftigen Anti-Kriegs- Bewegung arbeiten, die es schafft große Teile der Klasse mitzunehmen und zugleich eine klare revolutionäre Perspektive vor Augen hat.

→ Was sind unsere strategischen Ziele? Was hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren geändert und was müssen wir daraus folgend im weiteren Organisationsaufbau in der aktuellen Phase beachten?

→ Wie können wir unser Verständnis von Internationalismus weiter ausbauen und festigen?

→ Wie schaffen wir es praktische Solidarität mit den Kämpfen auf der Welt entwickeln, aus den gemachten Erfahrungen Schlüsse für unseren Aufbau zu ziehen?

Wie können wir Straßentaktiken entwickeln, die auf den gemachten Erfahrungen aufbauen und kommende Entwicklungen der Repression antizipieren? An welchen Stellen können wir der staatlichen Übermacht Stiche versetzten und uns selbstbestimmte Räume erkämpfen.

Wie schaffen wir es in dieser Praxis möglichst viele Menschen mitzunehmen?

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