Urteil im Antifa-Ost Verfahren

Der Urteilsspruch gegen die 4 Antifaschischist:innen im Antifa-Ost Verfahren war ein politisches Signal der Klassenjustiz gegen die antifaschistische Bewegung: Mehrjährige Haftstrafen und die gerichtlich bestätigte Konstruktion einer “kriminellen Vereinigung” nach §129 sind die ersten Ergebnisse eines Verfahrens, das von Beginn an davon geprägt war,

→ kämpferische antifaschistische Praxis öffentlich zu diskreditieren, sie in die Nähe des “Terrorismus” zu rücken,

→ größere Teile der Bewegung, Personenzusammenhänge, Vernetzungen und Bekanntschaften mit hohem Aufwand zu durchleuchten und zu verfolgen,

→ rechten Hardlinern in den Behörden in ihrem “Kampf gegen Links” freie Hand und die Mittel ihrer Wahl zu lassen.

Der Tragweite des Verfahrens entsprechend gab es am Abend des Urteilsspruchs Kundgebungen und Demonstrationen in mindestens 13 Städten. Tausende gingen bundesweit in Solidarität mit den Angeklagten auf die Straße. Dabei gab es bereits es erste Auseinandersetzungen, die von einer kompromisslos auftretenden Staatsmacht wie in Berlin und Hamburg, aber auch von kurzzeitig offensiven Momenten auf antifaschistischer Seite, wie z.B. in Bremen geprägt waren. In Leipzig kam es in der Nacht auf den Donnerstag zu mehreren Angriffen auf Bulleneinheiten und brennenden Barrikaden. In diesem Kontext wurden – u.a. durch den Einsatz “ziviler Tatbeobachter” – erste Gefangene genommen.

 

Tag  X

Mit dem politischen Versammlungsverbot am Samstag nach dem Urteil in Leipzig reagierten die Behörden nicht nur auf eine angekündigte antifaschistische Demo, zu der als Reaktion auf das Urteil bundesweit mobilisiert wurde. Es war Teil eines polizeistaatlichen Ausnahmezustands, der jede politische Bezugnahme auf das Urteil auf der Straße unterbinden sollte und einem Großaufgebot von Polizeikräften aus dem ganzen Bundesgebiet den Handlungsfreiraum gab, mit besonderer Härte gegen politische Aktivist:innen vorzugehen. Der selbst nach Maßstäben des bürgerlichen “Rechtsstaats” völlig unverhältnismäßige Kessel am Alexis-Schumann-Platz und die Verordnung einer Untersuchungshaft gegen 9 Genossen im Laufe des Wochenendes sind das vorläufige Resultat. Eine 20-köpfige Ermittlungsgruppe bemüht sich aktuell darum, noch mehr herauszuholen.

Dennoch: Der Abend und die Nacht der Urteilsverkündung, der Tag X in Leipzig und die darauffolgende Nacht waren geprägt von Aktionen und Dynamiken auf der Straße,  die sich der staatlichen Übermacht immer wieder aktiv entgegengestellen konnten und sich auch außerhalb ihrer Kontrolle bewegten. Gerade mit Blick darauf, dass der sogenannte “Sicherheitsapparat” eine Vorreiterrolle in der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung einnimmt, ist die Bedeutung solcher Momente nicht zu unterschätzen.

 

Gefangenensolidarität und Kampf im Knast!

Nachdem die politischen Gefangenen vom ersten Juniwochenende in Leipzig in die dortige JVA gesperrt wurden, haben sie umgehend begonnen, allen Widrigkeiten und Schikanen zum Trotz offensiv mit der Situation umzugehen. Sie haben ein Kollektiv gegründet, ein Communiqué zum Wochenende in Leipzig und ein Grußwort für die Soli-Kundgebung vor der JVA verfasst. Sie haben sich für die sofortige Freilassung eines schwer erkrankten Genossen eingesetzt, haben gegen Nazischmierereien in den Zellen protestiert und konnten in einer Zelle selbst einen Raum für Diskussionen, Austausch und gegenseitige Unterstützung schaffen, der auch von anderen Gefangenen besucht wird. Von draußen gestalten verschiedene Solikreise und Unterstützer:innengruppen eine bundesweit vernetzte Solidaritätsarbeit. Über etliche Briefe und Einsendungen befinden sich die Gefangenen außerdem in regem Austausch mit solidarischen Genoss:innen aus dem gesamten Bundesgebiet.

Unsere Zelle ist keine Zelle. Sie ist während des Einschluss ein Ort politischer Arbeit, unser Politbüro, sowie moralspendende Barrikade. Beim Aufschluss der Piste verwandelt sich unsere Zelle in ein soziales Zentrum, ein Treffpunkt welches Kollektivität und solidarisches Handeln greifbar macht. Welches die Macht hat, den Menschen um uns rum weg von Egoismus und bloßer Zweckgemeinschaft Tag für Tag immer näher zur wahren Gemeinschaftlichkeit zu bringen. Unsere Zelle ist eine Schule und wenn sie nun doch eine Zelle ist, so ist sie nun eben eine Zelle des Widerstands, eine Zelle der Hoffnung.
Politische Gefangene der JVA Leipzig im Juni 2023
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