Amazon – Profitmaximierung in der Pandemie
JUNGE WELT – Während viele Beschäftigte außerhalb des Gesundheitssektors wegen der Coronaviruspandemie in Kurzarbeit geschickt worden sind, müssen andere zusätzlich schuften. So herrscht in den Versandzentren des Onlineriesen Amazon weiter Hochbetrieb. Dabei komme der Gesundheitsschutz zu kurz, warnt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Am Donnerstag hatte Amazon angekündigt, bundesweit 350 zusätzliche Voll- und Teilzeitstellen in der Logistik zu schaffen, wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtete. Zur Verteilung des neuen Personals auf die verschiedenen Versandzentren: kein Wort. Ebensowenig informierte das Unternehmen, wann die zusätzlichen Beschäftigten zum Einsatz kommen können. Verdi hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Amazon versuche, auch kranke Beschäftigte zur Arbeit zu bewegen.
So werde eine bis Ende April befristete Lohnerhöhung von zwei Euro pro Stunde in einigen Versandzentren als Anwesenheitsprämie gezahlt. »Das verdient laute Kritik«, sagte Orhan Akman, Leiter der Verdi-Bundesfachgruppe Einzel- und Versandhandel laut einer Mitteilung vom 24. März. Gleichzeitig gebe es bei Amazon nach wie vor krankheitsbedingte Kündigungen. »Das zeigt den Zynismus eines Unternehmens, bei dem es vor allem um Profite, nicht aber um die Gesundheit der Beschäftigten und ihrer Familien geht«, so Akman.
Seit Jahren schon kämpft sie gemeinsam mit Betriebsräten und Beschäftigten bei Amazon für tarifvertragliche Regelungen beim Lohn und beim Gesundheitsschutz. Doch die Konzernspitze um den Amazon-Gründer und -Boss Jeffrey Bezos verweigert hartnäckig jegliche Verhandlungen. Verdi verlangt nun angesichts der Pandemiemaßnahmen »unkomplizierte Regelungen« für Eltern, die weder eine Notbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen noch Alternativen finden können. Beschäftigte in einer solchen Notlage sollten bei Lohnfortzahlung freigestellt werden.
Die Gewerkschaft hat eine ganze Reihe konkreter und vergleichsweise leicht umsetzbarer Maßnahmen zur Hygiene sowie zum allgemeinen Gesundheitsschutz vorgeschlagen. Sehr wichtig sei es auch, »ein möglichst ruhiges Arbeitsumfeld zu schaffen und einen Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten«. Die Beschäftigten müssten über die erhöhten Risiken für Menschen mit Vorerkrankungen informiert werden, und Amazon sollte gefährdeten Angestellten »den Wechsel zu einem Arbeitsplatz mit weniger Lieferanten- oder anderen Außenkontakten« anbieten. Sollten die Krankenzahlen auch in einem Amazon-Vertriebszentrum steigen, dürfte die komplette anfallende Arbeit keinesfalls den verbliebenen Beschäftigten aufgebürdet werden.
Laut Mitteldeutscher Zeitung (Donnerstagausgabe) würden seit einigen Tagen wichtige Waren des täglichen Bedarfs im Wareneingang der Versandzentren und auch beim Versand an die Kunden priorisiert. In Italien und Frankreich soll Amazon demnach keine Bestellungen mehr für einige Artikel außerhalb des wichtigen täglichen Bedarfs annehmen. Hier hielten die Beschäftigten in den Versandzentren mittlerweile die Abstandsregeln ein. Warum an den Amazon-Standorten in der Bundesrepublik Schutzvorgaben für die Beschäftigten erst verzögert umgesetzt werden, erklärte das Unternehmen nicht.
Quelle: Junge Welt » 30.3.2020