Hier ein kurzer Rückblick auf die Hamburger Aufstandskonferenz und die Audio-Mitschnitte von zwei grundlegenderen Veranstaltungen in diesem Rahmen. Außerdem der Audio-Mitschnitt der Podiumsdiskussion auf dem diesjährigen Sommercamp der “Kommunistischen Organisation”, an der auch wir teilnehmen durften. Viel Spaß beim Nachhören und Diskutieren!
1. Aufstandskonferenz
Vom 29. September bis zum 1. Oktober fand in Hamburg ein breites Veranstaltungsprogramm anlässlich des 100. Jubiläums des Hamburger Aufstands statt. Etwa 500 Teilnehmer:innen aus dem gesamten Bundesgebiet kamen an dem Wochenende zusammen, um über konkrete Perspektiven auf aktuelle Kämpfe, die grundsätzliche Frage revolutionärer Strategie und den Bezug zu revolutionärer / sozialistischer Geschichte zu diskutieren. Die Qualität der Konferenz lag in der Zusammenführung dieser Diskussionen und darin, einen offenen Raum und Anlaufpunkt für Debatten zu schaffen, und nicht zuletzt auch im Zusammenkommen und Kennenlernen von Revolutionär:innen aus verschiedenen Städten, Kämpfen und Organisierungen – und das in einer durchweg solidarischen Atmosphäre.
Es liegt auf der Hand, dass es in kommender Zeit sinnvoll sein wird, an diesem Aufschlag anzuknüpfen. Dass die Auseinandersetzungen auf der Konferenz nicht allesamt in die Tiefe gehen konnten, viele Fragen und unterschiedliche Stände der Diskussion offensichtlich wurden, ist mit Blick auf den Stand der revolutionären Linken nicht verwunderlich und schmälert nicht den Wert der Veranstaltungen, sich den Fragestellungen überhaupt gemeinsam anzunähern. Es wird wichtig sein hier anzusetzen, vor allem auch um mehr Raum zu haben, um noch genauer über Konzepte und Orientierungen in den konkreten aktuellen Kämpfen zu diskutieren.
Wir haben uns mit der Organisation von zwei Veranstaltungen zur Frage revolutionärer Strategie an der Konferenz beteiligt. Hier die Mitschnitte zum Nachhören:
1. Grundlagen revolutionärer Strategie (Beitrag auf der Aufstandskonferenz am 30. September 2023 anlässlich des 100. Jubiläums des Hamburger Aufstands)
mit Bertrand Sassoye (Aktivist der Roten Hilfe International und ehemaliger Militanter der Stadtguerillagruppe CCC (Cellules Communistes Combatantes) aus Belgien
2. Selbstverwaltungswiderstand in Nordkurdistan (Beitrag auf der Aufstandskonferenz am 30. September 2023 anlässlich des 100. Jubiläums des Hamburger Aufstands)
mit einem internationalistischen Aktivisten
Darüberhinaus fand ebenfalls im Rahmen der Konferenz am Sonntag, den 1. Oktober eine Veranstaltung zur revolutionären Phase 1919 – 1923 mit einem Fokus auf die Ereignisse rund um den Hamburger Aufstand statt, die wir zusammen mit den Genoss:innen von Gestern – Heute – Morgen – Initiative für eine revolutionäre Gedenkpolitik erarbeitet haben. Dazu werden wir in den kommenden Monaten eine gemeinsame Broschüre unter dem Titel “Funken und Feuer – Revolutionäres Deutschland 1919 -1923” veröffentlichen und weitere Veranstaltungen organisieren.
Zum Abschluss der Veranstaltung organisierten Genoss:innen vor Ort einen gemeinsamen Spaziergang, unangemeldete Kundgebung und Kranzniederlegung vor der ehemaligen KPD-Zentrale beim Gängeviertel, um den ermordeten Revolutionär:innen zu gedenken.
Artikel aus der jungen Welt vom 2. Oktober 2023 zur Aufstandskonferenz:
Eine rote Fahne mit dem Konterfei von Arbeiterführer Ernst Thälmann sieht man in Hamburg auf Konferenzen selten. Im Bürgerhaus Wilhelmsburg gehörte sie am Sonnabend zur Saaldekoration. Dort wurde die Frage gestellt: »Wo bleibt der Aufstand?« Thälmann war einer der Anführer des von der KPD im Oktober 1923 geführten »Hamburger Aufstands«, dessen 100. Jahrestag Anlass der vom Kulturzentrum »Lüttje Lüüd« organisierten Tagung war. Und 500 Linke aus der ganzen Republik waren ins Bürgerhaus gekommen, in der großen Mehrheit junge Leute. »Das hat unsere Erwartungen übertroffen«, erklärte Halil Simsek, einer der Organisatoren, am Rande der Konferenz gegenüber junge Welt. Dass sich so viele versammelt hätten, um brennende Fragen der Bewegung zu debattieren, habe ein »besonderes kollektives Moment« ergeben.
Bereits das erste Podium zum Thema »Von der DDR lernen?« sorgte für rege Diskussionen. Die Referenten Roland Zschächner, jW-Autor und aktiv beim Ostjournal, und Max Rodermund von der Internationalen Forschungsstelle DDR arbeiteten überwiegend die positiven, hierzulande gern verschwiegenen Seiten des sozialistischen Staates heraus, was diverse Nachfragen provozierte. In den vier anschließenden Workshops setzten die Teilnehmer sich intensiv mit den Themen Krieg und Kultur, Feminismus, Klimafrage und Antifaschismus auseinander, immer aus der Klassenperspektive.
Absolute Highlights am Nachmittag waren die Vorträge zur »Frage der revolutionären Strategie«. Bertrand Sassoye, ehemaliger Aktivist der belgischen Celles Communistes Combattantes (CCC), einer in den 1980ern aktiven militanten Gruppe, referierte über Aufstandsstrategien in urbanen Sektoren. Er plädierte dafür, den Aufstand nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, sondern ihn etwa mittels militanter Aktionen quasi vorzuempfinden und so auch eine Reibungsfläche mit dem Staat zu erzeugen. Nicht weniger spannend waren die Ausführungen eines internationalistischen Aktivisten, der vor allem über den Selbstverwaltungswiderstand in Nordkurdistan berichtete.
Nach so viel geballtem Input war das Podium am Abend dank der ebenso substantiellen wie unterhaltsamen Beiträge ein guter Abschluss des Tages. Auf die Frage von Moderator Simsek, wie die Podiumsteilnehmer die Verfasstheit der Gesellschaft einschätzten, erwiderte etwa die Aktivistin Sara vom Hamburger Info- und Kulturzentrum »Lüttje Lüüd«, die Lage sei »richtig mies«, und nannte die Stichworte Krieg, Krise, Klima, Reproduktion. Für »all die Scheiße« gebe es nur eine Ursache, so Sara: das kapitalistische System. Flo von Dekay vom Podcast »Kommunistenkneipe« hob hervor, ihn erschreckten vor allem »dieser unglaubliche Bellizismus, diese Kriegsbegeisterung«, die sich in der jüngeren Vergangenheit breitgemacht hätten.
Der Hamburger Rapper »Disarstar« beantwortete die Frage, ob die Lage in den letzten Jahren besser oder schlechter geworden sei, mit einem »Sowohl-als-auch«. Einerseits sei »alles sehr viel unübersichtlicher geworden«, andererseits habe sich auch manches verbessert, etwa im Umgang mit Minderheiten. Der Musiker konstatierte, die radikale Linke habe die richtigen Fragen und die richtigen Antworten, bringe diese aber nicht gut an den Mann und die Frau. Das liege auch an den »kleinteiligen Grabenkämpfen« in der Bewegung. Die Linke müsse lernen, »populistischer zu formulieren«. Es reiche nicht, »im Elfenbeinturm zu sitzen und sich einen darauf runterzuholen, wie schlau man ist«, sagte Disarstar.
Die Aktivistin Lena Gröbe wies darauf hin, dass es durchaus auch inhaltliche Differenzen zwischen linken Gruppen gebe, über die gesprochen werden müsse. Die Vertreterin des »Lüttje Lüüd« betonte dagegen, nur gemeinsam könne es die Linke schaffen, kollektiven Widerstand zu organisieren. Die Frage, ob aus den Trümmern der im Niedergang befindlichen Partei Die Linke so etwas wie ein revolutionäres Projekt entstehen könne, wurde von allen Podiumsteilnehmern verneint.
2. Aufgaben und Selbstverständnis kommunistischer Organisierung
Podiumsdiskussion auf dem Sommercamp der Kommunistischen Organisation
mit Vertretern der Kämpfenden Jugend Bremen, des Kommunistischen Aufbau, der Kommunistischen Organisation und auch von uns.
Hier eine kurze nachträgliche Einordnung von Seiten der KO und der Audio-Mitschnitt:
Während große Teile des „linken Spektrums“ in Identitätspolitik oder sozialdemokratischem Reformismus aufgehen, gibt es in den letzten Jahren auch zunehmende Diskussionen über die Frage der kommunistischen Partei. DKP und MLPD beanspruchen, bereits „die“ kommunistische Partei in Deutschland zu sein – wir sind allerdings der Ansicht, dass keine dieser Organisationen dem Anspruch an eine revolutionäre marxistisch-leninistische Partei gerecht werden kann und dass die kommunistische Partei in Deutschland neu aufgebaut werden muss.
Mit anderen Gruppen und Organisationen, die diese Einschätzung teilen, haben wir darüber diskutiert, was heute die Aufgaben kommunistischer Organisierung in Deutschland sind. Wie muss eine kommunistische Partei strukturiert und aufgebaut sein? Welches Verhältnis sollte sie zu spontanen Protestbewegungen einnehmen, welche Rolle spielt die Organisierung im Betrieb? Welchen Stellenwert hat beim Parteiaufbau die Theorie des Marxismus-Leninismus und wie hängt sie mit der Entwicklung der Praxis zusammen? Um diese und weitere Fragen in einem sachlichen und konstruktiven Umfeld zu diskutieren, um Gemeinsamkeiten und Differenzen sichtbar zu machen und Argumente auszutauschen, haben wir zu unserem Sommercamp folgende Organisationen eingeladen: den Kommunistischen Aufbau, die Perspektive Kommunismus und die Kämpfende Jugend aus Bremen.
Wir freuen uns, dass die Diskussion geklappt hat und werden sie sicher auf die eine oder andere Weise fortsetzen.